Lexikon Multiresistente Erreger (MRE)
Vorwort
Die meisten Infektionen durch Bakterien sind gut mit Antibiotika zu behandeln. Es gibt allerdings auch einige Bakterien, die unempfindlich und somit resistent gegenüber Antibiotika sind. Sie können Antibiotikabehandlungen überleben und ihre Widerstandsfähigkeit sogar an andere Bakterien weitergeben. Von Multiresistenz spricht man, wenn Bakterien gegen viele verschiedene Antibiotika widerstandsfähig sind. Diese multiresistenten Bakterien lösen nicht per se schwerere Erkrankungen aus und rufen auch nicht häufiger Infektionen hervor. Wenn aber eine behandlungsbedürftige Infektion mit multiresistenten Bakterien auftritt, kann man diese weitaus schwerer therapieren. Die Auswahl an Antibiotika, die noch wirksam sind, ist dann deutlich kleiner. Welche Antibiotika noch helfen, kann man durch Labortests herausfinden.
Multiresistente Erreger (MRE) sind zunehmend ein weltweites Problem im Gesundheitswesen. Gründe für den Anstieg von Infektionen durch multiresistente Erreger sind vor allem eine Verschiebung innerhalb der Patientenpopulation hin zu älteren, abwehrgeschwächten Patienten mit Mehrfacherkrankungen, sowie der Selektionsdruck durch die häufige Anwendung von Antibiotika, der durch die Zunahme von multiresistenten Erregern und der damit verbundenen Anwendung von breit wirksamen Antibiotika noch erhöht wird. Um dem Problem entgegenzutreten werden weltweit Anstrengungen unternommen, die auf den rationalen Einsatz von Antibiotika, die konsequente Umsetzung von Hygienemaßnahmen, die Surveillance und Informationsweitergabe ausgerichtet sind. In diesem Lexikon sind die wichtigsten Begriffe im Zusammenhang mit MRE kurz und verständlich erklärt.
Antibiogramm/Resistogramm
Ein Antibiogramm (oder Resistogramm) ist das Ergebnis einer Empfindlichkeitstestung eines Bakteriums gegenüber verschiedenen Antibiotika. Es gibt Aufschluss darüber, gegenüber welchen Medikamenten Empfindlichkeit beziehungsweise Resistenz eines Erregers besteht und ist damit grundsätzliche Voraussetzung für eine gezielte Antibiotikatherapie.
Antibiotikum/Antibiotika
Antibiotika sind Arzneimittel, die zur Behandlung von bakteriellen Infektionskrankheiten eingesetzt werden. Sie wirken entweder abtötend (bakterizid) oder hemmen die Bakterien in ihrem Wachstum oder ihrer Vermehrung (bakteriostatisch). So unterbinden beispielsweise β-Laktam-Antibiotika den Aufbau und die Erneuerung der bakteriellen Zellwand. Während des Wachstums bilden sich Löcher in der Zellwand, die zum Platzen der Zelle führen. Andere Antibiotika (unter anderem die Tetracycline) greifen in die Herstellung verschiedenster Proteine (Eiweißstoffe) ein, wodurch der normale Stoffwechsel des Bakteriums stark beeinträchtigt und eine Vermehrung des Bakteriums verhindert wird. Ein Problem ist die zunehmende Antibiotikaresistenz.
Antibiotikaresistenz
Antibiotikaresistenz bedeutet, dass Bakterien gegenüber bestimmten Antibiotika unempfindlich sind. Aufgrund der hohen Vermehrungsrate von Bakterien kommt es bei einigen von ihnen zu Veränderungen im Erbgut. Diese können dazu führen, dass bestimmte Antibiotika unwirksam werden, indem sie beispielsweise aus der Bakterienzelle transportiert werden. Oder ihr Angriffspunkt in der Zelle kann so stark verändert sein, dass einige Antibiotika nicht mehr daran binden. Die so veränderten Bakterien können dann während einer Antibiotikatherapie überleben und sich vermehren. Die Veränderungen im Erbgut können chromosomal vorhanden sein und verbleiben dann normalerweise in der Bakterienart. Alternativ können sich die Resistenzgene auch auf einem Plasmid befinden, welches mit seiner antibiotikaresistenzvermittelnden Eigenschaft auch in andere Bakterienarten übertragen werden kann. Es gibt auch Bakterien, die von Natur aus unempfindlich gegenüber bestimmten Antibiotika sind (primäre Resistenz).
Antibiotika-Resistenz-Surveillance (ARS)
Am Robert Koch-Institut (RKI) wurde 2007 eine bundesweite Antibiotika-Resistenz-Surveillance (ARS) etabliert. Seither werden kontinuierlich Daten zur Resistenzlage in Deutschland erhoben. Die Daten stammen von teilnehmenden Laboren, welche die Ergebnisse der mikrobiologischen Routinediagnostik über eine Schnittstelle anonymisiert an ARS am RKI übermitteln. Die Labore erhalten die Patientenproben von ihren einsendenden Praxen oder Krankenhäusern. Somit werden am RKI Resistenzdaten aus dem ambulanten wie aus dem stationären Bereich gebündelt. In einer interaktiven Datenabfrage kann man sich auf der Homepage des RKI einen Überblick über die aktuelle Resistenzsituation sowie längerfristige Resistenzentwicklungen in Deutschland verschaffen.
Antibiotika-Resistenz-Surveillance (ARS) Sachsen
Die sächsischen ARS-Daten werden der Landesuntersuchungsanstalt für das Gesundheits- und Veterinärwesen (LUA) Sachsen vom Robert Koch-Institut (RKI) zur Verfügung gestellt. Ziel der landesweiten Surveillance ist es, die lokale Resistenzentwicklung bei relevanten Erregern zu beobachten sowie zeitnah Trends und neue Entwicklungen zu erkennen. Auf der LUA-Homepage werden die Daten in Form von Tabellen und Publikationen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Bakterien
Bakterien sind kleine einzellige Mikroorganismen. Der Mensch beherbergt eine große Zahl von Bakterien in und auf sich, welche zumeist harmlos sind und teilweise wichtige Funktionen erfüllen (Normalflora). Neben den Chromosomen kann die bakterielle Erbinformation auch in Form von Plasmiden vorliegen. Aufgrund ihres unterschiedlichen Zellwandaufbaus werden sie in grampositive und gramnegative Bakterien unterteilt. Diese Unterscheidung ist insbesondere für die Wahl eines wirksamen Antibiotikums wichtig.
Bakteriostase
Hemmung des Wachstums oder der Vermehrung von Bakterien durch bakteriostatisch wirkende Antibiotika. Das Bakterium wird hier nicht abgetötet und kann bei nachlassender Wirkung des Antibiotikums wieder wachsen beziehungsweise sich vermehren.
Bakterizidie
Zum Zelltod führende Schädigung der Bakterienzelle durch bakterizid wirkende Antibiotika oder Desinfektionsmittel.
Besiedelung/Kolonisation
Die menschliche Haut, die Mundhöhle, die Atemwege, der Verdauungs- sowie der Harn-/Geschlechtstrakt sind von Bakterien besiedelt, welche zunächst keine Krankheiten verursachen (Normalflora). Sie bilden dort eine Barriere gegenüber der Ausbreitung möglicher krankheitserregender Bakterien. Vor allem bei disponierten Personen kann es auch zu Fehlbesiedlungen mit Keimen kommen, die nicht zur Normalflora gehören, zum Beispiel auch mit multiresistenten Erregern. Bei Patienten, die mit MRSA besiedelt sind, kann versucht werden, diese durch desinfizierende Waschungen und eine antibiotische Nasensalbe zu entfernen (Dekolonisierung), damit sie im weiteren Verlauf keine Infektion hervorrufen oder auf andere Personen übertragen werden. Bei Patienten, die mit anderen multiresistenten Erregern besiedelt sind, ist eine solche Dekolonisierung momentan nicht empfohlen.
β-Laktam-Antibiotika
(sprich: Beta-Laktam-Antibiotika)
Greifen in die Zellwandsynthese von Bakterien ein. Zu ihnen gehören beispielsweise Penicilline, Cephalosporine und Carbapeneme. Die Wirkung von ß-Laktam-Antibiotika wird eingeschränkt durch Antibiotikaresistenzen, zum Beispiel aufgrund veränderter Membraneigenschaften der Bakterien oder durch β-Laktamasen.
β-Laktamasen
(sprich: Beta-Laktamasen)
Von Bakterien gebildete Enzyme, welche β-Laktam-Antibiotika spalten und zur Resistenz gegenüber diesen führen. Zu ihnen gehören unter anderem ESBL und die Carbapenemasen.
Carbapenemasen
Carbapenemasen sind β-Laktamasen, die neben Penicillinen und Cephalosporinen auch Carbapeneme spalten können. Letztere werden vor allem bei schweren Infektionen eingesetzt. Carbapenemasen führen zur Resistenz der Bakterien gegenüber β-Laktam-Antibiotika, weshalb bei ihrem Vorliegen die Therapieoptionen meist stark eingeschränkt sind.
Chemotherapie
Mit diesem Begriff kann die medikamentöse Therapie von Krebserkrankungen (antineoplastische Chemotherapie) oder von Infektionen (antiinfektiöse Chemotherapie) gemeint sein. Bei der antiinfektiösen Chemotherapie werden Mikroorganismen im Wachstum gehemmt oder abgetötet: Bakterien durch Antibiotika, Pilze durch Antimykotika, Viren durch Virostatika, Parasiten durch antiparasitäre Mittel.
Clostridioides difficile/C. difficile-Infektion (CDI)
Clostridioides (C.) difficile sind sporenbildende Bakterien, die in der Umwelt weit verbreitet sind und auch den menschlichen Darmtrakt besiedeln können. Unter ungünstigen Umweltbedingungen (Wärme, Trockenheit, Nährstoffmangel, chemische Substanzen wie Desinfektionsmittel oder Antibiotika) sind sie in der Lage Sporen zu bilden. Das sind extrem widerstandsfähige Dauerformen, die bei Verbesserung der Umweltbedingungen wieder zur Bakterienform auskeimen. Bei einer Störung der normalen Darmflora, zum Beispiel in Folge einer Antibiotikatherapie, kann sich C. difficile stark vermehren und Gifte (Toxin A und B) produzieren. Im Rahmen dieser C. difficile-Infektion (CDI) kann es zu schweren Durchfallerkrankungen mit lebensbedrohlichen Komplikationen kommen. Erkrankte scheiden in großer Zahl Sporen mit dem Stuhl aus, die die Umgebung kontaminieren und wiederum von anderen Menschen aufgenommen werden können. Krankenhauspatienten sind deutlich häufiger mit C. difficile besiedelt als andere Personen. Insbesondere Menschen mit Immunschwächen sind durch eine CDI bedroht.
Dekolonisierung
Unter Dekolonisierung (Sanierung) versteht man die Beseitigung einer Besiedelung bestimmter Bakterien von der Haut- oder Schleimhautoberfläche, die nicht zur Normalflora gehören und in der Lage sind, Infektionen auszulösen. Derzeit gibt es im Bereich der multiresistenten Erreger nur für MRSA Empfehlungen zur Dekolonisierung. Ziel einer Dekolonisierung kann neben der Beseitigung auch schon die Senkung der MRSA-Last von Patienten in bestimmten Risikosituationen (zum Beispiel vor bestimmten operativen Eingriffen) sein. Die MRSA-Dekolonisierung ist immer ein Maßnahmenbündel, das die Behandlung von Nase, Rachen, Haut und die Dekontamination der Umgebung umfasst. Einzelmaßnahmen allein sind nicht ausreichend. Damit die Dekolonisierung am Ende erfolgreich ist, müssen die vom Arzt vorgegebenen Maßnahmen mit den entsprechenden Präparaten über einen Zeitraum von mindestens 5 Tagen konsequent durchgeführt werden.
Desinfektion
Desinfektionsmaßnahmen bewirken die Inaktivierung von Krankheitserregern bzw. reduzieren deren Zahl so weit, dass von entsprechend behandelten Flächen, Gegenständen oder Händen keine Infektionsgefahr mehr ausgehen kann. lm medizinischen Bereich ist die Händedesinfektion eine der am häufigsten durchgeführten Desinfektionsmaßnahmen, die sowohl Patienten als auch Personal vor möglichen Infektionen schützt. Bestimmte Viren zeichnen sich durch eine hohe Beständigkeit gegenüber Desinfektionsmitteln aus, so dass im Einzelfall spezielle Mittel zum Einsatz kommen müssen. Multiresistente Bakterien sind nicht durch eine besondere Resistenz gegenüber Desinfektionsmitteln - wohl aber gegenüber Antibiotika - charakterisiert.
Epidemiologie
Die Epidemiologie untersucht die Häufigkeit und Verteilung von Krankheiten sowie deren Ursachen und Folgen in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen. Das Teilgebiet der Infektionsepidemiologie befasst sich dabei speziell mit übertragbaren Krankheiten, welche beispielsweise durch Bakterien oder Viren verursacht werden. Die Epidemiologie bildet damit die wissenschaftliche Grundlage für Maßnahmen, die im Interesse der öffentlichen Gesundheit unternommen werden.
ESBL (Extended Spectrum β-Laktamasen)
Von Bakterien gebildete Enzyme, welche die β-Laktam-Antibiotika Penicilline, Cephalosporine und Monobactame spalten und zur Resistenz gegenüber diesen führen. Sie bilden eine Untergruppe der β-Laktamasen. ESBL treten meist in gramnegativen Bakterien wie Escherichia coli (E. coli) und Klebsiella-Arten auf.
Händehygiene
Die Händehygiene umfasst die wichtigsten Maßnahmen zur Vermeidung von Infektionskrankheiten, sowohl im Alltag als auch im Krankenhaus. Hierzu zählen die Händewaschung, die Händedesinfektion sowie die Pflege und der Schutz der Hände. Aber auch die entsprechenden Voraussetzungen an der Hand müssen gegeben sein (zum Beispiel kurze Fingernägel, kein Tragen von Schmuck). Hände kommen mit Gegenständen und Menschen in Berührung und können dabei als Überträger von Infektionserregern dienen. Die Händedesinfektion ist in stationären und ambulanten Gesundheitseinrichtungen die effektivste Maßnahme, um nosokomiale Infektionen zu verhindern. Sie ist durchzuführen vor und nach jedem Kontakt mit Patienten, nach Kontakt mit möglicherweise MRGN Gegenständen und mit Oberflächen in der unmittelbaren Patientenumgebung, nach dem Ablegen von Schutzhandschuhen sowie vor Tätigkeiten, von denen eine Übertragung von Bakterien mit besonderer Gefährdung des Patienten ausgehen kann (zum Beispiel Anschließen einer Infusion). Weiterhin müssen die Pflege und der Schutz der Haut gesichert werden, da sich Mikroorganismen bereits in kleinsten Hautrissen ansiedeln können. Im Alltag genügt zumeist die normale Händewaschung und -pflege, um eine Ausbreitung von Krankheitserregern zu vermeiden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat mit dem Konzept »Fünf Momente der Händehygiene« Schlüsselmomente für die Händedesinfektion identifiziert und erinnert am 5. Mai, dem »Internationalen Tag der Händehygiene« besonders an ihre Bedeutung im medizinischen Sektor, wobei das Datum symbolisch für die fünf Finger der Hände steht.
Hygienefachpersonal
Dazu zählen Krankenhaushygieniker, Hygienefachkräfte, hygienebeauftragte Ärzte und Hygienebeauftragte in der Pflege. Sie beraten die Leitung der jeweiligen Einrichtung sowie das medizinische Personal in allen Angelegenheiten der Hygiene, dokumentieren das Auftreten bestimmter Erreger und sorgen dafür, dass die Hygienevorschriften bei der Patientenversorgung umgesetzt werden.
Hygienemaßnahmen
Diese umfassen zunächst die Surveillance (Überwachung) und Basishygienemaßnahmen wie zum Beispiel die Händehygiene. Weiterhin zählen Barrieremaßnahmen wie die Verwendung von Kitteln und Handschuhen sowie die Isolierung von Patienten in Einzelzimmern dazu.
Immunschwäche
Bei einer Immunschwäche ist die normale Abwehrfunktion des Körpers gegenüber möglichen Krankheitserregern eingeschränkt. Sie kann entweder angeboren oder erworben sein, zum Beispiel durch Krankheiten wie Diabetes mellitus oder Leukämie bzw. nach manchen Infektionen. Auch bei Patienten nach Transplantationen, während einer Chemotherapie oder bei Frühgeborenen liegt eine Immunschwäche vor. Diese Patienten sind besonders von Infektionen durch fakultativ pathogene Bakterien (Opportunisten) bedroht.
Infektion
Bei einer Infektion dringen Mikroorganismen (beispielsweise Bakterien, Viren oder Pilze) in den Körper ein und vermehren sich dort. Sie ist abzugrenzen von der Besiedlung (oder Kolonisation). Natürliche Infektionswege sind die Tröpfcheninfektion über die Atemluft oder die orale Aufnahme von verunreinigten Nahrungsmitteln oder Wasser. Im Krankenhaus kann die Übertragung auch durch künstliche Zugänge in den Körper (zum Beispiel Sonden, Katheter) erfolgen. Der Verlauf einer Infektion (Ausprägung von Symptomen, Vermehrung von Erregern) ist abhängig vom Immunsystem des Betreffenden, dem Ort der Infektion und dem Erreger selbst.
Infektionsschutzgesetz (IfSG)
Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen. Zweck des Gesetzes ist es, übertragbaren Krankheiten beim Menschen vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern (§ 1 IfSG). Durch das IfSG in Verbindung mit den jeweiligen Länderverordnungen sind unter anderem Ärzte und Labore dazu verpflichtet, bestimmte übertragbare Krankheiten beziehungsweise Krankheitserreger an die zuständigen Gesundheitsämter zu melden (Meldepflicht), die diese Informationen über die zuständige Landesbehörde (in Sachsen die Landesuntersuchungsanstalt für das Gesundheits- und Veterinärwesen) an das Robert Koch-Institut (RKI) übermitteln. Dies dient dem Zusammenführen von Informationen und der möglichen Einleitung weiterer Maßnahmen zur Verhinderung der Weiterverbreitung der Infektionskrankheit. So sind bestimmte Einrichtungen (zum Beispiel Krankenhäuser, Altenpflegeheime, Schulen) verpflichtet, Hygienepläne aufzustellen, deren Einhaltung durch das Gesundheitsamt überwacht wird. Die Grundrechte des Einzelnen können auf der Grundlage des IfSG teilweise eingeschränkt werden, indem beispielsweise bei Infektion mit einem bestimmten Erreger ein Tätigkeitsverbot bei dem Betreffenden ausgesprochen wird, wenn dieser in einer lebensmittelverarbeitenden Branche tätig ist. Weitere detaillierte Regelungen zur Hygiene und Infektionsprävention in Gesundheitseinrichtungen finden sich in den Landesverordnungen nach § 23 Infektionsschutzgesetz. In Sachsen ist dies die Verordnung der Sächsischen Staatsregierung über die Hygiene und Infektionsprävention in medizinischen Einrichtungen (SächsMedHygVO).
Infektiosität
Beschreibt die Fähigkeit eines Mikroorganismus sich nach Übertragung in einem Wirt, wie zum Beispiel dem Menschen, zu vermehren und eine Erkrankung auszulösen. Mit Kenntnis der Infektiosität und Kontagiosität kann eingeschätzt werden, inwiefern hygienische Maßnahmen eingeleitet werden müssen, um die Weiterverbreitung oder einen Ausbruch zu verhindern.
Isolierung
Eine Form der Hygienemaßnahme, bei der Menschen räumlich isoliert von anderen behandelt werden. Patienten mit einer Immunschwäche können isoliert werden, um sie vor Infektionen zu schützen. Patienten mit einer hochansteckenden Krankheit oder einem multiresistenten Erreger (zum Beispiel MRSA), auch bei Verdacht, werden isoliert, um eine Weiterverbreitung zu verhindern. Die Zimmer dieser Patienten dürfen beispielsweise nur mit entsprechender Schutzkleidung betreten werden, und es bestehen besondere Anforderungen an die Reinigung und Desinfektion.
Kolonisation
Siehe Besiedlung.
Kontagiosität/Ansteckungsfähigkeit
Im Gegensatz zur Infektiosität beschreibt der Begriff Kontagiosität, wie leicht oder schwer ein Erreger auf den jeweils erregertypischen Infektionswegen übertragen werden kann.
Kontamination
Verunreinigung von Gegenständen oder Personen mit unerwünschten Mikroorganismen, Stoffen oder radioaktiver Strahlung. Um im Krankenhaus eine Übertragung von möglicherweise krankheitsauslösenden Bakterien oder Viren auf Patienten zu verhindern, werden alle potentiell kontaminierten Gegenstände und Flächen desinfiziert.
Krankenhaushygiene
Die Krankenhaushygiene umfasst alle hygienischen Maßnahmen, welche in Gesundheitseinrichtungen notwendig sind, um nosokomiale Infektionen (»Krankenhausinfektionen«) zu vermeiden, beziehungsweise die Weiterverbreitung von Krankheitserregern zu verhindern. Davon betroffen sind alle Einrichtungen, in denen Menschen untersucht, behandelt oder gepflegt werden (Krankenhäuser, Altenpflegeheime, Arztpraxen et cetera). Die Forschung auf diesem Gebiet behandelt beispielsweise die Epidemiologie übertragbarer Krankheiten sowie die Überprüfung der Effektivität von Maßnahmen zur Desinfektion.
Kreuzresistenz
Bei einer Kreuzresistenz gegenüber einem Antibiotikum besteht bei einem Krankheitserreger gleichzeitig eine Resistenz gegenüber anderen Antibiotika. Sie kann bei chemisch ähnlichen Antibiotika vorkommen, indem der Resistenzmechanismus des Krankheitserregers immer eine ähnliche chemische Struktur angreift und das Antibiotikum so unschädlich macht. Dies ist insbesondere bei den chemisch ähnlichen Penicillinen und Cephalosporinen der Fall. Andererseits können auch Antibiotika mit einem ähnlichen Wirkprinzip betroffen sein.
Letalität
Die Letalität (von lat. letalis »tödlich«) gibt den Anteil der Erkrankten an, der an einer Krankheit stirbt. Siehe auch Mortalität.
Meldepflichtige Krankheit
Bestimmte Infektionskrankheiten oder Nachweise von Krankheitserregern, welche im Infektionsschutzgesetz (IfSG) sowie in den jeweiligen Länderverordnungen (in Sachsen die Sächsische Infektionsschutz-Meldeverordnung) festgelegt wurden, unterliegen der Meldepflicht. Der Verdacht, die Erkrankung sowie der Tod an entsprechenden Krankheiten werden dann durch den behandelnden Arzt (oder auch durch andere zur Meldung verpflichtete Personen) an das zuständige Gesundheitsamt gemeldet. Hiervon betroffen sind Krankheiten, wie beispielsweise Masern, bei deren Auftreten Handlungsbedarf (Einleitung von Maßnahmen zum Schutz vor Ausbreitung) durch das Gesundheitsamt besteht. Auch bei Nachweis bestimmter Krankheitserreger sind diese durch das zuständige Labor an das Gesundheitsamt zu melden. Beispielsweise gibt es eine Meldepflicht für bestimmte Bakterien mit erworbenen Carbapenemasen oder bei Resistenz gegenüber Carbapenemen.
Morbidität
Die Morbidität (von lat. morbidus »krank«) gibt den Anteil der Erkrankten in einer Bevölkerungsgruppe in einem bestimmten Zeitraum an.
Mortalität
Die Mortalität (von lat. mortalitas »Sterblichkeit«) gibt den Anteil der Bevölkerung an, der an einer Erkrankung verstirbt. Siehe auch Letalität.
MRGN (Multiresistente gramnegative Bakterien)
Zu den gramnegativen Bakterien gehören beispielsweise Enterobacterales wie Escherichia coli und Klebsiella pneumoniae sowie nicht-fermentierende Stäbchenbakterien wie Pseudomonas aeruginosa und Acinetobacter baumannii. Diese Bakterien besiedeln normalerweise den menschlichen Darm (Normalflora) beziehungsweise sind in der Umwelt verbreitet. Sie können aber, vor allem bei immungeschwächten Personen, auch zu Infektionen führen. Um die Behandelbarkeit von Infektionen durch diese Erreger einzuschätzen, wird die Wirksamkeit von Antibiotika aus 4 Antibiotikagruppen geprüft. Sind diese gramnegativen Bakterien gegen Vertreter aus 3 beziehungsweise aus allen 4 dieser 4 Antibiotikagruppen resistent, so werden sie als 3MRGN beziehungsweise 4MRGN bezeichnet. Beim Auftreten von 4MRGN sind in Gesundheitseinrichtungen besondere Hygienemaßnahmen zu ergreifen (zum Beispiel das Tragen von entsprechender Schutzkleidung oder die Isolierung des Patienten). Beim Auftreten von 3MRGN sind die Hygienemaßnahmen abhängig vom Risikoprofil der betroffenen Station (zum Beispiel Intensivstation oder Normalstation).
MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus)
Dieses grampositive Bakterium ist ein Staphylococcus aureus, der gegenüber allen β-Laktam-Antibiotika sowie häufig auch anderen Antibiotikagruppen resistent ist. Er zählt mit zu den wichtigsten Erregern von Infektionen, welche im Krankenhaus erworben werden (Nosokomiale Infektion). Unter anderem tragen Menschen mit einer Immunschwäche ein erhöhtes Risiko für Infektionen generell und damit auch für Infektionen mit MRSA. Beim Gesunden lösen diese in der Regel keine Erkrankung aus. Im Gegensatz zum MRSA weist der sogenannte MSSA (Methicillin-sensibler Staphylococcus aureus) keine Resistenzen gegenüber den oben genannten Antibiotika auf.
Community acquired MRSA (cMRSA) treten auch bei ansonsten Gesunden überwiegend außerhalb von Gesundheitseinrichtungen auf. Sie sind teilweise in der Lage, das Panton-Valentine-Leukozidin (PVL) zu bilden und sind dann virulenter als andere Staphylococcus aureus-Stämme.
Multiresistente Erreger (MRE)
Bakterien, die gegen mehrere Antibiotikagruppen resistent sind. Eine Ursache für die Zunahme von Multiresistenzen ist der oft unsachgemäße Einsatz von Antibiotika (zum Beispiel Gabe bei viralen Infektionen, zu breit wirksames Antibiotikum, zu lange Gabe). Alle empfindlichen Bakterien (auch die der Normalflora) sind dabei einem Selektionsdruck ausgesetzt, welcher resistenten Bakterien einen Überlebensvorteil bietet, so dass diese sich weiter vermehren können. Auch der breite Einsatz von Antibiotika in der Tiermast kann eine Zunahme von MRE verursachen (Resistenzentstehung).
Netzwerk MRE
Das Netzwerk MRE (Multiresistente Erreger) koordiniert und bündelt Aktivitäten, welche der Ausbreitung von multiresistenten Erregern in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen entgegenwirken, und fördert den Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Akteuren im Gesundheitswesen. In allen Bundesländern Deutschlands existieren diese Netzwerke. In Sachsen sind Strukturen auf regionaler Ebene (Kreise und kreisfreie Städte) sowie Landesebene geschaffen worden.
Normalflora
Zahlreiche Körperregionen des Menschen (Haut, Atemwege, Verdauungstrakt, Harn-/Geschlechtstrakt) werden von Bakterien besiedelt, die unsere Normalflora darstellen. Sie dienen unter anderem als Schutz vor der Besiedlung mit pathogenen Bakterien, können aber unter Umständen auch als fakultativ pathogene Bakterien (Opportunisten) Krankheiten hervorrufen.
Nosokomiale Infektion (»Krankenhausinfektion«)
Eine nosokomiale Infektion wird im zeitlichen Zusammenhang mit einer stationären oder ambulanten medizinischen Maßnahme erworben. Sie kann durch eine Vielzahl von Erregern, unter anderem auch durch multiresistente Erreger hervorgerufen werden, wobei beispielsweise Patienten mit Immunschwäche besonders gefährdet sind. Die wichtigsten nosokomialen Infektionen sind Harnwegsinfektionen bei liegendem Harnwegskatheter, Wundinfektionen nach Operationen und Lungenentzündungen bei Beatmungspatienten.
Opportunisten
Als Opportunisten werden fakultativ pathogene Bakterien oder Pilze bezeichnet, welche für gesunde Menschen meist harmlos sind. Unter bestimmten Bedingungen können sie jedoch Infektionen auslösen, wobei Patienten mit Immunschwäche besonders gefährdet sind.
Pathogenität
Die Pathogenität beschreibt die Fähigkeit eines Organismus, Krankheiten in einem anderen Organismus hervorzurufen. Das Ausmaß der Pathogenität wird durch die Virulenz beschrieben.
Pilze
Medizinisch relevant sind Pilze vor allem als Krankheitserreger sowie als Produzenten von Antibiotika. Der Hefepilz Candida befindet sich häufig auf der Schleimhaut des Menschen und gehört zu seiner Normalflora. Bei Immunschwäche, hormonellen Umstellungen et cetera kann er aber Krankheiten auslösen, er ist ein Opportunist. Schimmelpilze wie Aspergillus können sowohl bei gesunden als auch bei immungeschwächten Patienten Erkrankungen der Lunge auslösen. Infektionen mit Pilzen werden mit Antimykotika behandelt, wobei Pilze ebenso wie Bakterien Resistenzen entwickeln können.
Plasmid
Plasmide sind ringförmige Träger von Erbinformation in Bakterien, die zusätzlich zum eigentlichen bakteriellen Erbgut vorliegen. Auf diesen kann sich die genetische Information für Proteine (Eiweißstoffe) befinden, welche beispielsweise Antibiotikaresistenzen vermitteln. Diese Plasmide können an weitere Bakterien der eigenen oder einer anderen Art weitergegeben werden.
Prophylaxe
Unter Prophylaxe versteht man vorbeugende Maßnahmen, welche dazu dienen, Krankheiten zu verhindern. Dazu gehören beispielsweise Impfungen, die vorsorgliche Gabe von Medikamenten und Hygienemaßnahmen, wie die Isolierung von mit Krankheitserregern infizierten Patienten.
PVL (Panton-Valentine-Leukozidin)
Resistenz
Siehe die in dem Zusammenhang gemeinte Antibiotikaresistenz.
Resistenzentstehung
Bakterien können sich sehr schnell und in großer Zahl vermehren. Dabei kommt es regelmäßig zu zufälligen Veränderungen (Mutationen) im Erbgut. Manche dieser Veränderungen führen dazu, dass Bakterien unempfindlich gegenüber bestimmten Antibiotika werden. Die genetische Information für Antibiotikaresistenzen kann auch auf sogenannten Plasmiden liegen, die an andere Bakterien weitergegeben werden können. Auch so können Bakterien Resistenzen erwerben. Solange diese Bakterien nicht in Kontakt mit Antibiotika kommen, bedeuten solche Veränderungen für die Bakterien keinen Vorteil. Bei einer Antibiotikabehandlung jedoch werden diese resistenten Bakterien nicht bekämpft. Sie können sich dann oftmals besonders gut vermehren, da konkurrierende empfindliche Bakterien reduziert werden (Selektion). Jede Antibiotikaanwendung birgt die Gefahr, dass resistente Bakterien selektiert werden. Deshalb ist es von größter Bedeutung, dass Antibiotika nur da angewendet werden, wo sie notwendig und wirksam sind (nicht bei viralen Erkrankungen oder Bagatellinfektionen). Grundsätzlich gilt für die Verordnung von Antibiotika: so oft und so lange wie nötig, so selten und so kurz wie möglich.
Nicht nur Menschen, auch Tiere können mit antibiotikaresistenten Bakterien besiedelt sein oder an ihnen erkranken. Durch Kontakt mit betroffenen Tieren oder mit verunreinigten Lebensmitteln (Kontamination) können Bakterien mit Antibiotikaresistenzen auf Menschen übertragen werden. Durch Ausbringen von Gülle oder Abwässer gelangen antibiotikaresistente Bakterien auch in die Umwelt. In Kläranlagen können sie ihre Erbinformation besonders gut an andere Bakterien weitergeben, da hier viele Bakterien unterschiedlichster Arten zusammenkommen.
Sanierung
Siehe Dekolonisierung.
Selektion
(Natürliche) Selektion bedeutet, dass Individuen einer Art sich unter verschiedenen Umweltbedingungen in ihrem Fortpflanzungserfolg unterscheiden. Sind beispielsweise Antibiotika in der Umwelt einer Bakterienpopulation vorhanden, können sich nur diejenigen Individuen vermehren, die Resistenzgene tragen und somit von den Antibiotika nicht im Wachstum gehemmt oder abgetötet werden. Individuen ohne Resistenzgene können sich nicht vermehren und verschwinden so aus der Bakterienpopulation. In Krankenhäusern werden multiresistente Bakterien selektiert.
Sind keine Antibiotika in der Umwelt vorhanden, können Resistenzgene nachteilig für die Vermehrung der Bakterien sein, da ihr Vorhandensein oft einen zusätzlichen Aufwand bei der Teilung bedeutet und die Vermehrung verlangsamt. Dadurch können sich Individuen ohne Antibiotikaresistenzen unter Umständen schneller vermehren und die Bakterien mit Resistenzgenen verdrängen.
Surveillance
Die Surveillance beschreibt die Überwachung von bestimmten Infektionskrankheiten in ihrem zeitlichen und örtlichen Vorkommen. Beispielsweise wird in Krankenhäusern das Vorkommen bestimmter multiresistenter Erreger (MRE) registriert. Auf diese Weise kann das gehäufte Auftreten (Ausbruch) oder auch die allmähliche Zunahme von MRE über einen längeren Zeitraum erkannt werden. Diese Ergebnisse werden bewertet und Maßnahmen abgeleitet, welche eine Weiterverbreitung dieser MRE verhindern.
Viren
Viren sind infektiöse Partikel, die über die genetische Information für ihren Aufbau und ihre Vermehrung verfügen, aber nicht über einen eigenen Stoffwechsel. Sie sind für ihre Vermehrung auf eine geeignete Wirtszelle angewiesen. Dabei wird die Erbsubstanz des Virus in die Wirtszelle eingeschleust und mit Hilfe dieser vermehrt. Schließlich werden neugebildete Viren freigesetzt. Bei manchen Viren kann die Erbsubstanz in der Wirtszelle verbleiben und die Virusvermehrung zu einem späteren Zeitpunkt reaktiviert werden (Beispielsweise Windpocken-Viren, die Jahre oder Jahrzehnte nach der Infektion eine Gürtelrose auslösen können). Die meisten Atemwegsinfektionen werden durch Viren ausgelöst und haben zumeist einen harmlosen Verlauf. Manchen Virusinfektionen, welche einen schwereren Verlauf nehmen können (beispielsweise Masern-, Hepatitis-B- oder Humane Papillomviren), kann mit einer Impfung vorgebeugt werden. Bei Virusinfektionen sind Antibiotika unwirksam.
Virulenz
Die Virulenz beschreibt das Ausmaß, in dem ein Organismus Krankheiten in einem anderen Organismus hervorrufen kann. Je virulenter Bakterien oder Viren sind, desto schwerere Schäden können sie im Wirtsorganismus hervorrufen. Siehe auch Pathogenität.
VRE (Vancomycin-resistente Enterokokken)
Bei diesen Bakterien handelt es sich zumeist um die grampositiven Keime Enterococcus faecium und (seltener) Enterococcus faecalis. Sie gehören der Gruppe der multiresistenten Erreger an. Neben der Resistenz gegen Vancomycin – ein Antibiotikum, das zum Beispiel zur Therapie von MRSA-Infektionen eingesetzt wird – besitzen sie auch häufig Resistenzen gegenüber der Antibiotikagruppe der Fluorchinolone. Des Weiteren sind Enterokokken immer gegenüber der Antibiotikagruppe der Cephalosporine resistent (sogenannte »Enterokokkenlücke«). Die Anwendung dieser Antibiotika führt zur Anreicherung von Enterokokken/VRE, welche wiederum vor allem bei immungeschwächten Personen schwerwiegende Infektionen auslösen können.
VRSA (Vancomycin-resistenter Staphylococcus aureus)
Dieser sehr selten auftretende Staphylococcus aureus ist resistent gegenüber Vancomycin, ein Antibiotikum, das zum Beispiel zur Therapie von MRSA-Infektionen eingesetzt wird. Diese Antibiotikaresistenz kann von Vancomycin-resistenten Enterokokken (VRE) auf Staphylococcus aureus übertragen werden. Damit entsteht ein sehr problematischer Keim, da dann nur noch sehr wenige antibiotische Behandlungsoptionen zur Verfügung stehen. Von VRSA sind erst sehr wenige Fälle in den USA beschrieben worden.